"Teilhabe bleibt ein Menschenrecht": Mitgliederversammlung der Lebenshilfe in Werkstatt Florentine
Rund 70 Gäste blickten am 8. November auf der Mitgliederversammlung der Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg e. V. auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Aufsichtsratsvorsitzende Martina Winter begrüßt die Besucher im Speisesaal der Werkstatt Florentine und kritisiert im ersten Teil ihrer Rede die bundesweite Diskussion um einen „zu teuren Sozialstaat“. „Seit Monaten hört man von der Politik, dass wir uns den Sozialstaat so nicht mehr leisten können. Den Zusammenhang von Kostensteigerungen und Menschen mit Behinderungen herzustellen finde ich gefährlich.“ Die Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg e. V. habe vor der Bundestagswahl im Februar 2025 Forderungen an die politischen Parteien gestellt. Damit Menschen mit Behinderung und ihre Familien nicht vergessen würden. „Bei all den Krisen und auch finanziellen Herausforderungen in der Welt muss weiter gelten: Teilhabe von Menschen mit Behinderung ist und bleibt ein Menschenrecht. Genau das sagt die UN-Behindertenrechtskonvention aus, die Deutschland vor 15 Jahren ratifiziert und unterschrieben hat“, betont Martina Winter und ergänzt: „Am 29. Januar 2025 verabschiedete der Deutsche Bundestag einen Antrag, der ausdrücklich feststellt, dass die Opfer der NS-Euthanasie und die Opfer von Zwangssterilisationen als Verfolgte des NS-Regimes anzuerkennen sind. Es hat 80 Jahre gedauert, bis das Schicksal, das Leiden und die Ermordung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung diese Anerkennung gefunden hat. Dazu gab es kaum etwas in den Nachrichten oder in der Presse.“
Wie wichtig Inklusion und Demokratie sind und wie beides unwiderruflich zusammengehört – darauf machte Vorstandsvorsitzender Thomas Bauer in seinem Redebeitrag aufmerksam. „Demokratie und Inklusion sind beides Konzepte, die Beteiligung aller Menschen an politischen, sozialen und wirtschaftlichen Prozessen fördern. Es geht um die Gewährleistung von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Mitglieder der Gesellschaft. Also auch für Menschen mit Behinderung. Und dafür setzt sich unsere Lebenshilfe seit ihrer Gründung 1961 ein und das gilt auch für die Zukunft“, erklärt Thomas Bauer und appelliert: „Gleichzeitig müssen unsere Leistungen am Menschen auskömmlich finanziell gesichert sein. Diese Selbstverständlichkeit hat in der Vergangenheit gelitten, weil der Landeswohlfahrtsverband Vergütungen an Leistungserbringer wie uns nicht vollständig weitergegeben hat.“ Zudem erschwere eine zunehmende Bürokratie die eigentliche Arbeit an der Basis, so Thomas Bauer weiter.
Wie man die Lebenshilfe nachhaltig und sicher unterstützen kann, darauf gingen die Mitglieder des Kuratoriums der Stiftung der Lebenshilfe, Prof. Jochen Frey und Sabine Kracht in ihren Vorträgen ein. „Unsere im Jahr 2013 gegründete Stiftung bietet eine gute Möglichkeit, langfristig die Arbeit der Lebenshilfe zu unterstützen. Geld, das in die Stiftung fließt, bleibt dort ewig. Mit den Erträgen können konkrete Projekte direkt gefördert werden,“ wirbt Prof. Dr. Jochen Frey. „Zum Beispiel konnten wir Menschen mit Behinderung im Jahr 2023 den Besuch der Special Olympics Weltspiele in Berlin ermöglichen. In jedem Jahr konnten wir vor Ort helfen, was so ohne die Stiftung nicht möglich gewesen wäre“, ergänzt Sabine Kracht.
Abseits der politischen Debatte gibt es für die Lebenshilfe Wetzlar-Weilburg e. V. viele Gründe zur Freude. Stabile Mitgliederzahlen (1276) und ein finanzielles Plus im Jahr 2024 nach zwei Jahren in der Verlustzone sorgten für entspannte Gesichter auf der Mitgliederversammlung, auf der darüber hinaus eine Erhöhung des Mitgliederbeitrags einstimmig beschlossen wurde – wohl gemerkt die erste Beitragserhöhung seit der Gründung im Jahr 1961.
Gefeiert wurde ebenfalls im vergangenen Jahr: das 25-jährige Jubiläum des Bistros am Eisenmarkt und 20 Jahre Werkstatt Löhnberg – sowie das Kartoffelfest am Schillerplatz in Wetzlar oder der Markttag in Weilburg – beides Aktivitäten des Förderkreises.
Am Ende der Versammlung ehrte Martina Winter langjährige Mitglieder für ihre Treue zur Lebenshilfe: Werner Wenzel für 50-jährige und Thomas Fricke für 25 Jahre Mitgliedschaft.